Bereits seit Mai erhältlich sind zwei neue Songs der Bostoner HC/Punk-Veteranen The Proletariat.
Knapp 33 Jahre ließ sich die 2016 reformierte Band Zeit, um neue Aufnahme abzuliefern.
Von Reunions kann man halten was man will, meist gehen mir diese ziemlich am Arsch vorbei. Wenn man sich in guter Form präsentiert (an den Reglern saß kein geringerer als Lou Giordano) und Bands auch inhaltlich etwas zu sagen haben, geht das aber in Ordnung.
The Proletariat waren (und sind wieder) anders als andere Bands aus Boston: Macho-Gehabe und dumpfen Patriotismus suchte man bei ihnen vergebens. Links, mit marxistischen Ansichten und kapitalismuskritischen Aussagen dürfte man weder in den 80ern noch heutzutage in den USA einen Blumentopf an Sympathie gewinnen. Wie sich dadurch der Kult-Faktor (trotz oder wegen ihrer Ansichten?) in Boston erklären lässt, darüber bin ich mir dann gar nicht so sicher. Immerhin sind The Proletariat aber “This Is Boston, Not L.A.” mit drei Songs vertreten. Vielleicht ist das die einfache, weil naheliegende Erklärung.
Noch vor SS Decontrol & Co war man 1980/81 in New England unterwegs und präsentierte sich in einer Mischung aus Sex Pistols und Gang of Four, was den auch heute noch britisch klingenden Gesang erklärt.
Ihr vielleicht wichtigstes Werk, das erste Album “Soma Holiday“, erschien 1983 und genießt mittlerweile Kult-Status.
Track 1 beschäftigt sich mit dem leider immer noch allgegenwärtigen Rassismus in den Südstaaten der USA. ‘The Murder of Alton Sterling‘ ist eine wütende und pointierte Anklage in guter, alter Polit-Punk-Manier. Die (virtuelle) B-Seite gefällt mir musikalisch besser, weil vielschchtiger, fast schon groovig – da lasse ich mir den Gang of Four-Vergleich auch gerne gefallen.
Erschienen sind die beiden Songs auf Bridge Nine Records, was geographisch auch viel Sinn macht, wenngleich The Proletariat rein musikalisch dann doch in eine andere Richtung tendieren als typisches Boston-HC-Gebolze. Für die Stadt und die Region eine sicher immanent wichtige Band, wenngleich ich (Asche über mein Haupt) die riesengroße Bedeutung von The Proletariat zumindest in der Rezeption in den 80/90ern hier in Europa nicht sehe – da hätte ich eher an die Dead Kennedys oder MDC gedacht.