Ich liebe Erstlinge – v.a. wenn sie wie bei Younger Us so unverbraucht daherkommen und mich über einen längeren Zeitraum beschäftigen können. ‘Graustark’, das 6-Songs umfassende Debüt der Stuttgarter ist so ein klassischer Fall.
Warum ich Erstlinge liebe? Weil sie bei manchen Bands das ganze Potenzial der möglichen Entwicklungen aufzeigen, ohne wie für alle Zeiten in Stein gemeißelt in eine bestimmte Richtung zu tendieren. Eine Band auf der Suche ist auch eine spannende Band. Vieles wird angedeutet, aufgezeigt, ist zugleich möglich, als auch nicht möglich; parallel sich überlagernde Zustände, machen eine eindeutige Verortung schwierig. Eine graustarke Katze haben Younger Us da Mitte September in die Kiste gepackt.
Klar, wenn man es sich einfach machen wollte, abgegriffene Zustandsbeschreibungen wie ‘bretthart’, ‘düster’, ‘schleppend’, ‘verzweifelt’, ‘Schreigesang’, ‘Post-Post-Hardcore’ gehen einem leicht über die Lippen und sind schnell in die Tastatur gehackt. Ist alles zugleich wahr als auch nicht wahr und so (bzw. wiederum auch nicht) auf Younger Us zutreffend, deren EP gleich auf fünf (!) verschiedenen Labels (Day By Day Records, Through Love Records, Koepfen, Teenwolves Records sowie Tief In Marcellos Schuld Records) veröffentlicht wurde.
Packt man noch die persönlichen, von Wut und Verzweiflung geprägten Texte hinzu, man hätte schnell ein eindimensionales Bild gezeichnet, nämlich das einer Band, die schwer verdauliche Musik macht.
Zum Glück streuen Younger Us aber immer wieder neue Elemente und zündende Ideen ein, um ständig im Spiel zu bleiben, sich interessant zu halten und Lust auf künftige Releases zu machen: sei es eine unverhoffte Melodie (wie etwa im zweiten Song namens Philophobia), oder ein wenig Zwischenspiel in Form ruhiger/leiserer Passagen – potenzielle Entwicklungslinien, die es in Zukunft aufzunehmen gibt, oder halt eben nicht.
Wahrscheinlich werde ich für diese Aussage gesteinigt und disqualifiziert, in den mittleren/späten 90er Jahren hätte ich die Musik auf ‘Graustark’ dann doch einfach als Emocore (wenn man so will der zweiten Generation) bezeichnet, der sich auf kleinen (Juze-)Bühnen am wohlsten fühlt. Hätte mir damals als Beschreibung gereicht, denn das Genre war breit gefächert und in Expansion begriffen.
Von daher freue ich auf Nachwuchs aus dem Hause Younger Us, vorerst aber v.a. auf die einseitig bespielte 12″ im Siebdruck-Cover, die hoffentlich bald bei mir zuhause eintrudelt.